Ein Blick hinter die Kulissen: So werten unsere Expert*innen die Bewerbungen aus

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Insgesamt 520 Bewerbungen erreichten uns für den Deutschen Kita-Preis 2024. Während die Teilnehmenden gespannt warten, ob sie eine Runde weiterkommen, läuft die Sichtung auf Hochtouren: Ein Team aus Expert*innen prüft derzeit jede Einreichung gründlich und wertet sie gemeinsam nach verschiedenen Kriterien aus. Auf dieser Grundlage entscheidet sich, wer für den nächsten Schritt nominiert wird. Welche 30 Kitas und Bündnisse das sind, geben wir Ende April bekannt. 

Vorher werfen wir aber noch einen Blick hinter die Kulissen. Zwei Fachexpert*innen des Berliner Kita-Instituts für Qualitätsentwicklung (BeKi) erzählen, wie genau der Auswahlprozess in der Kategorie „Kita des Jahres“ abläuft, mit welchen aktuellen Themen sich die teilnehmenden Kitas beschäftigen und was sie beim Lesen der Bewerbungen überrascht hat.

Robert Friedrich begleitet die Auszeichnung schon seit dem ersten Durchgang. Seit 2021 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter im BeKi und dort Projektleitung für den Deutschen Kita-Preis. Seine Kollegin Sarah Bors ist seit 2019 als Expertin für die Kategorie „Kita des Jahres“ an Bord. Zusammen koordinieren sie im BeKi die Prozesse zum Deutschen Kita-Preis, entwickeln die Kriterien weiter und werten die Bewerbungen in allen Phasen aus. 

Robert Friedrich und Sarah Bors
Teil des Expert*innen-Teams für die Kategorie "Kita des Jahres": Robert Friedrich und Sarah Bors

Wie läuft die Vorauswahl der vielen Bewerbungen ab? 

Schon zu Beginn der Bewerbungsphase sind wir immer sehr gespannt und neugierig, was die Kitas uns erzählen. Bei der Sichtung unterstützen uns weitere Kolleg*innen aus dem BeKi tatkräftig. In der sogenannten Expressphase lesen wir alle Bewerbungen und sortieren einige Motivationsschreiben aus, wenn deutlich wird, dass sich einzelne Inhalte nicht den vier Qualitätsdimensionen zuordnen lassen.

In einer zweiten Phase werden die Bewerbungen, die uns überzeugt haben, intensiver geprüft. Dies übernimmt jeweils eine andere Person als in der Expressphase. Bei dieser ausführlicheren Sichtung legen wir für jede Bewerbung ein Profil zu den vier Qualitätsdimensionen an. Diese verdeutlichen, welche Beispiele und Aussagen die Kita in der einzelnen Dimension auszeichnen und wo es möglicherweise offene Fragen oder auch Ambivalenzen gibt.

Begleitet wird der gesamte Prozess durch interne Validierungstreffen, in denen wir uns gegenseitig Kitas vorstellen und Beispiele diskutieren. Damit wird sichergestellt, dass wir ein gleiches Verständnis zu den Dimensionen haben und die Bewerbungen gleichermaßen bewerten. So stärken wir eine faire und gerechte Entscheidung. Vor dem Auswahltermin liest Robert nochmal die Schreiben aller potenziellen Kitas, um die Bewertungen im Gesamten im Blick zu haben.

Anschließend treffen wir uns mit Vertreter*innen der DKJS und des Bundesfamilienministeriums, stellen die Kitas vor, diskutieren inhaltlich über potenzielle Kandidat*innen für die nächste Phase und wählen gemeinsam die Nominierten aus. Neben den inhaltlichen Aspekten werden auch die Vielfalt an sozialräumlichen Kontexten – die Bedingungen im Großstadtkiez sind ganz andere als im ländlichen Raum – und individuelle Entwicklungsprozesse berücksichtigt. 

Mit welchen Themen beschäftigen sich die teilnehmenden Kitas aktuell? Konntet ihr neue Trends erkennen?  

Allgemein ist der Fachkräftebedarf in den Bewerbungen zu spüren, zum Beispiel durch verkürzte Öffnungszeiten oder nicht ausgeschöpfte Betreuungsplätze. Der Umgang der Kitas mit dieser Herausforderung ist dabei unterschiedlich. 

Es haben sich viele Kitas mit einem offenen Konzept oder mit Werkstattpädagogik beworben. Auch die Arbeit in multiprofessionellen Teams nimmt zu und kann als Antwort auf fehlende Fachkräfte gelesen werden. Diese Kitas sehen das Potenzial, was Quereinsteiger*innen in die Kitas einbringen können und finden Wege, dieses über eine stärkenorientierte Teamkultur zu entfalten. Neben dem Fachkräftebedarf ist auch von Personalveränderungen im gesamten Team zu lesen. Neue Leitungen mit einem kindorientierten und partizipativen Blick leiten Veränderungsprozesse in die Wege, mit denen nicht alle einverstanden sind, so dass das Personal wechselt, weil sich die Haltungen und der Blick auf Kinder zu sehr unterscheiden. Uns wurde wieder deutlich, was für eine hohe Verantwortung Kita-Leitungen haben, aber auch was für Energien sie in Gang setzen können, um für Kinder und deren Familien gute Bedingungen in Kitas zu gestalten.

Die Auseinandersetzung mit Digitalität ist über die letzten Jahre klar zu sehen. Viele Kitas nutzen inzwischen Kita-Apps, um mit Eltern Informationen auszutauschen. Im pädagogischen Alltag sind Tablets, digitale Kameras oder Ähnliches etabliert und akzeptiert. Deutlich zu erkennen ist, wie Kitas zunehmend akzeptieren, dass sich Kinder in digital durchdrungenen Lebenswelten bewegen und diese auch in der Kita eine Rolle spielen. Trends aus diesem Jahr sind unter anderem digitale Portfolios so zu nutzen, dass Eltern, Kinder und Pädagog*innen gemeinsam aus den Lebenswelten Kita und Zuhause dokumentieren. Auch digitale Lösungen, um Teamsitzungen vorzubereiten, Eltern über Kommunikations- und Umfragefunktionen zu beteiligen oder als Beschwerdeweg sind uns begegnet.  

Hat euch beim Lesen der Bewerbungen etwas überrascht? 

In diesem Jahr haben wir häufiger gelesen, dass sich viele Kitas auf unterschiedlichen Ebenen mit Nachhaltigkeitsthemen beschäftigen, zum Beispiel Recycling, regionale Angebote oder Tierpflege. Überrascht hat uns dabei, dass neben Tieren wie Hühner, Schnecken oder Hasen nun auch häufiger von einem Kita-Hund zu lesen war, der die Kinder im Alltag begleitet und ein Ankerpunkt ist. 

Worauf freut ihr euch mit Blick auf diesen Durchgang am meisten? 

Wir sind immer dankbar, dass wir einen Einblick in die unabkömmliche und notwendige Arbeit der Kitas erhalten. Manchmal waren wir schon jetzt durch die Bewerbung so neugierig, weil die Kitas etwas so Berührendes oder Innovatives beschrieben haben, dass wir am liebsten sofort zum Vor-Ort-Besuch losgefahren wären. Immer wieder sehen wir dort neue Ideen und lernen tolle Beispiele kennen, von denen andere Kitas mit ähnlichen Bedingungen profitieren können. Es zeigt sich ganz deutlich, dass Kitas lebendige Bildungsorte sind, an denen sich Menschen vertrauensvoll und engagiert für die Rechte der Kinder einsetzen und Kinder in ihren individuellen Lernbewegungen, ihrer Selbstbestimmung sowie im Leben in einer demokratischen Gemeinschaft begleiten.  

Vielen Dank für das Interview!