„Die altersgerechte und konsequente Beteiligung von Kindern am Kita-Alltag ist ein wichtiger Baustein für Qualität und kindorientierte Frühpädagogik. Sie ist kein Nice-to-have, sondern das gute Recht von Kindern und zugleich eine wesentliche Voraussetzung, damit Bildung, Betreuung und Erziehung gelingen können“, sagt Andreas Knoke-Wentorf.
Der DKJS-Experte für Kita und Frühe Bildung moderierte am 14. Mai auf dem Deutschen Kinder- und Jugendhilfetag in Leipzig das Panel Partizipation von Kindern im KiTa-Alltag: Beispiele, Herausforderungen und notwendige Rahmenbedingungen einer partizipativen Praxis.
Vertreter*innen der Träger, der Wissenschaft, der Praxis sowie der Bundes- und Landespolitik diskutierten, wie die Perspektiven und Bedürfnisse von Kindern im Kita-Alltag angemessen berücksichtigt werden können und welche Rahmenbedingungen notwendig sind, um eine partizipative Umgebung zu gestalten.
Wie kann Partizipation in der Praxis konkret aussehen?
Katja Hillenbrand, Leiterin der Kita Rehefelder Straße in Dresden, teilte im Panel ihre Erfahrungen und Ideen aus der der eigenen Arbeit. Für die wurden sie und ihr Team 2020 mit dem zweiten Platz beim Deutschen Kita-Preis ausgezeichnet.
Als wir die Kita damals für einen Filmdreh besuchten, erklärte ein Kind unserem Kamerateam: „Unsere Kita ist die beste, weil man sich hier richtig frei fühlt!“ Dieses Gefühl ist Ausdruck der gelebten Teilhabe und Mitbestimmung, denn die Kinder gestalten die Räume und Angebote aktiv mit. Beispiele aus dem Alltag gibt es viele: „Beim Schneewittchen-Theaterstück wird noch eine Räuberbande eingebaut, eine Dschungeltapete für die Spielecke ausgesucht oder gemeinsam entschieden, wofür Geld ausgegeben werden soll“, berichtet Katja Hillenbrand.
Die Kinder erfahren hier von Anfang an, was es heißt, mitzubestimmen: „Schon in der Eingewöhnung kann die Bezugsperson wechseln, wenn das Kind bei einer anderen Fachkraft besser ankommt. In der Krippe entscheiden die Kinder selbst, ob sie drinnen oder draußen spielen wollen.“
Was braucht es, um so eine partizipative Umgebung zu schaffen?
„Unverzichtbar ist ein Rahmen, der Spielraum für Entscheidungen lässt und, wo immer möglich, sich von der Uhr als Taktgeber zu befreien“, erklärt Katja Hillenbrand. Das setzt ein gegenseitiges Vertrauen unter den Fachkräften voraus: „Das Wissen, dass es in Ordnung ist, wenn ich mich mit wenigen Kindern auf dem Sofa zurückziehe, um ein Bilderbuch zu betrachten – und das Zutrauen, dass der andere den Kreativraum gut im Blick hat, wenn ich selbst dort nicht bin“, erklärt die Kita-Leiterin.
Für das Team bedeutet das, die eigene Arbeit zu reflektieren und gemeinsam weiterzuentwickeln: „Das tut auch mal weh, aber bringt uns immer voran und stärkt das Vertrauen. Partizipation gilt auch für das Team, denn nur wenn wir es leben, kann es auch mit den Kindern gelebt werden.“
Wo hört Partizipation für Kinder dann auf? Wieviel Grenzen und Regeln sind notwendig?
„Viele unserer Eltern suchen ganz bewusst unsere Kita mit ihrem partizipativen Ansatz aus, denn sie wünschen sich, dass ihr Kind mit seinen Bedürfnissen ernst genommen wird“, erklärt Hillenbrand.
Aber die große Entscheidungsfreiheit und Mitbestimmung der Kinder kann bei den Eltern auch Fragen aufwerfen – zum Beispiel, wenn ihr Kind entschieden hat, mittags wach zu bleiben oder nichts zu essen. Katja Hillenbrand verrät, wie das Team die Eltern in solchen Momenten gut abholt: „Am besten helfen eine vertrauensvolle Beziehung von Anfang an, Aufklärung und intensive Gespräche über die Sorgen: Woher kommen sie, sind sie berechtigt, was brauchen das Kind und die Eltern, um sich wohlzufühlen und welche Handlungsmöglichkeiten hat die Kita?“
Was bewirkt die gelebte Partizipation in der Kita?
Was es mit Kindern macht, wenn sie sich einbringen und mitbestimmen können, sehen Hillenbrand und ihr Team jeden Tag: „Wir erleben die Kinder als frei, offen, mutig und ungezwungen. Sie sind selbstbewusst und fühlen sich sicher. Das merkt man daran, wie sie sich im Haus bewegen – es ist ihr Haus und sie fordern sich auch Entscheidungen ein. Sie können sich gut selbst einschätzen und sind sehr selbstständig.“
Vom partizipativen Ansatz profitieren aber nicht nur die Kinder. Hillenbrand ergänzt: „Angebote, ja der gesamte Kita-Alltag läuft viel entspannter ab, wenn die Kinder beteiligt werden. Wir haben viel mehr Zeit für Beziehungspflege, weil wir nicht ständig durchsetzen müssen, dass die Kinder das machen, was wir von ihnen wollen. Gegenseitiges Vertrauen und Zutrauen schaffen eine fröhliche Kita-Atmosphäre, in der sich alle wohlfühlen können. So hält man als Team auch anstrengendere Zeiten besser durch.“
Vielen Dank für die Einblicke! Mehr über die Arbeit der Kita Rehefelder Straße erfahren Sie im Porträt und der Begründung unserer Jury aus dem Jahr 2020.