Am 16. Juni haben wir die Preisträger des Deutschen Kita-Preises 2020 in einer digitalen Award-Show bekannt gegeben. Vier Initiativen aus verschiedenen Ecken Deutschlands haben es auf einen zweiten Platz in der Kategorie „Lokales Bündnis für frühe Bildung des Jahres“ geschafft und dürfen sich über jeweils 10.000 Euro freuen: das Förderbündnis Familienzentrum Königsberg aus Biebertal (Hessen), das Kinder- und Jugendhaus in Dorfen (Bayern), das lokale Bündnis für Familie Uecker-Randow aus Torgelow (Mecklenburg-Vorpommern) sowie das Bildungsnetz Heerstraße Nord – AG frühe Förderung aus Berlin-Spandau. Was die Arbeit dieser vier Bündnisse auszeichnet und was die Jury besonders beeindruckt hat, haben wir hier auf einen Blick zusammengestellt:
Förderbündnis Familienzentrum Königsberg
Biebertal
Das ist das Förderbündnis Familienzentrum Königsberg | ©DKJS/ Jakob Erlenmeyer und Nikolaus Götz
Ort: Biebertal
Bundesland: Hessen
Handlungsfeld: Stärkung der Dorfgemeinschaft und attraktive Lernangebote im ländlichen Raum
Aktiv seit: 2012
Wirkungsradius: Ländlicher Raum
Kontakt: Gemeinde Biebertal, Patricia Ortmann (Stv. Bündnissprecherin und Bürgermeisterin), Mühlbergstraße 9, 35444 Biebertal, E-Mail: portmann@biebertal.de, Tel.: 06409-6922
Nahe der Stadt Gießen liegt die Gemeinde Biebertal idyllisch umgeben von Wiesen, Wäldern und Bergen. Als die Kita im Ortsteil Königsberg 2012 wegen sinkender Kinderzahlen kurz vor dem Aus stand, ergriffen Eltern und Kita-Mitarbeitende die Initiative und schlossen sich mit der Dorfgemeinschaft zusammen. Gemeinsam gründeten sie ein Familienzentrum und konnten so das Fortbestehen der Kita sichern – und das mit Erfolg! Inzwischen ist die Nachfrage nach Kita-Plätzen in Königsberg so groß, dass die Einrichtung ausgebaut wird und das Bündnis seine Angebote auch für die Familien der umliegenden Orte öffnet. Dazu gehören ausgebildete Elternbegleitungen, die Mütter und Väter bei der Erziehung unterstützen. Das Bündnis bietet zudem Angebote für die ganze Dorfgemeinschaft an. Die Kinder erleben dabei hautnah, was die Natur alles zu bieten hat und lernen lokale Traditionen wie die jährliche Apfelernte und den Einsatz einer mobilen Apfelpresse kennen.
Auch die traditionelle Kartoffelernte mit Kartoffelfeuer und gemeinsamen Essen auf dem Feld ist ein Abenteuer für Groß und Klein, das gleichzeitig die Möglichkeit bietet, mehr über Nachhaltigkeits- und Gesundheitsthemen zu erfahren. Durch die Beteiligung lokaler Vereine, der Kirche, der Verwaltung und vielen mehr vernetzt das Förderbündnis die Menschen vor Ort und verbindet den Ausbau von Bildungsangeboten mit der Dorfentwicklung.
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Das Bündnis hat das Dorf vom „Schlafort“ zum Lebensort gemacht und ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie Bürgerinnen und Bürger ihr Dorf wieder zu ihrem eigenen Lebens-Projekt machen können, wenn demokratische Prinzipien und bürgerschaftliches Engagement greifen.
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Das Bündnis ist beispielgebend dafür, wie zivilgesellschaftliches und kommunales Handeln in einem kleinen Sozialraum Wirkung entfalten. Die Akteure haben sich mit enormem ehrenamtlichem Engagement für eine Verbesserung ihrer Situation eingesetzt und damit nicht nur der drohenden Kita-Schließung die Stirn geboten, sondern eine Wirkkraft entfaltet, die bis zur Einrichtung eines Familienzentrums führte. Das Bündnis ist damit ein wichtiges Vorbild für Kinder und Jugendliche und fragt selbstverständlich danach, wie ihnen jetzt und in Zukunft Teilhabe ermöglicht wird.
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Das Förderbündnis Familienzentrum Königsberg ist fest im gesamten Dorf verankert. Die vielfältigen, niedrigschwelligen Bildungsangebote beziehen viele Beteiligte ein: Hier stehen Kinder, pädagogisches Fachpersonal und Eltern im Mittelpunkt des Handelns.
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Das Bündnis war schon im letzten Jahr unter den Finalisten und hat einen deutlichen Entwicklungssprung gemacht. Das Feedback wurde ernst genommen und umgesetzt. So wurden die Bereiche Kinderbeteiligung und Partizipation stark ausgebaut.
Kinder- und Jugendhaus Dorfen
Dorfen
Das ist das Kinder- und Jugendhaus Dorfen | ©DKJS/ Jakob Erlenmeyer und Nikolaus Götz
Ort: Dorfen
Bundesland: Bayern
Handlungsfeld: Inklusion und Vernetzungen im Sozialraum
Aktiv seit: 2005
Wirkungsradius: Größere Kleinstadt
Kontakt: Kinder- und Jugendhaus Dorfen, Therese Englmeier (Leitung Kinder- und Jugendhaus), Rinninger Weg 17, 84405 Dorfen, E-Mail: kinderundjugendhaus@kja-dorfen.de, Tel. 08081/ 9553637, www.dorfen.de
Rund 45 Kilometer östlich von München, der Weltstadt mit Herz, liegt Dorfen – die zweitgrößte Stadt im Landkreis Erding mit viel Herz für alle Kinder. Unabhängig davon woher sie kommen, wie ihre Familien leben oder ob sie besondere Herausforderungen mitbringen: Der Arbeitskreis Kinder- und Jugendarbeit und das Kinder und Jugendhaus als zentrale Anlaufstelle sorgen dafür, dass alle hier gut zusammenleben, lernen und arbeiten können. In dem Bündnis haben sich Kitas und Schulen, Ehrenamtliche, soziale Einrichtungen, Politik und Verwaltung zusammengeschlossen. Gemeinsam organisieren sie Aktionstage, Workshops oder Cafés für Kinder und Eltern. Die Kitas im Ort unterstützt das Bündnis auch personell: Es gibt eine Qualitätsmanagementbeauftragte und eine Fachkraft für Kinder mit Migrationshintergrund. In den vier Inklusionshäusern arbeiten eigene Heilpädagogen. Ein heilpädagogischer Fachdienst unterstützt die restlichen Häuser, die entsprechende therapeutische Expertise benötigen.
Wenn es darum geht, Mitmach-Projekte für Kinder zu organisieren, wächst das Dorfener Bündnis auch schon mal sprichwörtlich über sich hinaus: etwa bei Kooperationen mit dem Seniorenheim, der Flüchtlingshilfe, der Bücherei, der Musikakademie oder den Stadtwerken. Damit die Angebote auch in Einklang mit den Bedürfnissen der Familien stehen, hat das Bündnis vor kurzem eine Befragung zur Lebenswelt der Kinder, Jugendlichen und Familien in der Kommune durchgeführt.
- Das Bündnis lebt Inklusion in vorbildlicher Weise, indem es an den jeweils individuellen Lebenswirklichkeiten der Kinder ansetzt und dann schaut, wie es passgenau unterstützen kann, beispielsweise durch eine zentralisierte Platzvergabe. Die Akteure im Bündnis entwickeln lösungsorientierte Ansätze für jedes Kind, die sich an den Bedürfnissen und nicht an Vorgaben orientieren, um Chancengleichheit und Bildungsteilhabe zu ermöglichen. Es vertritt die Haltung, dass sich die Umgebung verändern muss, nicht das Kind.
- Zunächst rein aus der Zivilgesellschaft entstanden, arbeitet das Bündnis inzwischen breit und professionell aufgestellt: Vielfältige Akteure aus Ehrenamt, Fachwelt und Politik wirken eng zusammen und machen sowohl die Lebenswirklichkeit der Kinder, Jugendlichen und Familien vor Ort als auch das kommunale Leitbild zu ihrem Ausgangspunkt.
- Die Akteure im Bündnis agieren als Einheit, es gibt einen starken Zusammenhalt und eine hohe Identifikation. Das zeigt sich auch im Übergangsmanagement zwischen den Bildungseinrichtungen, das die Jury sehr beeindruckt hat.
- Das Bündnis arbeitet in einem starken Bewusstsein, dass seine Arbeit sowohl gegenwarts- als auch zukunftsorientiert ist, lässt sich immer wieder auf neue Themen ein und nutzt unterschiedliche Formate der Reflexion. Es reagiert frühzeitig auf sich ändernde Bedingungen im Sozialraum und bringt sich auch politisch aktiv ein, was sich in entsprechenden Ratsbeschlüssen widerspiegelt. Auch darin zeigt sich die besonders gelungene Mischung aus zivilgesellschaftlichem Engagement und professioneller Steuerung, die nachhaltige Strukturen (z.B. Schulsozialarbeit, Kinder- und Jugendzentrum, kleinräumige Netzwerke) anstatt temporärer Angebote schafft.
Lokales Bündnis für Familie Uecker-Randow
Torgelow
Das ist das Lokale Bündnis für Familie Uecker-Randow | ©DKJS/ Jakob Erlenmeyer und Nikolaus Götz
Ort: Torgelow
Bundesland: Mecklenburg-Vorpommern
Handlungsfeld: Bildungschancen der Kinder verbessern und ihre Beteiligung am gesellschaftlichen Leben fördern
Aktiv seit: 2005
Wirkungsradius: ländlicher Raum
Kontakt: Lokales Bündnis für Familie Uecker-Randow, Peter Fels (Bündnissprecher), Bahnhofstraße 26, 17358 Torgelow, E-Mail: uer-familienbuendnis@web.de, Tel.: 03976204251, www.lokales-buendnis-uecker-randow.de
Kinder sind unsere Zukunft. Das „Lokale Bündnis für Familie Uecker-Randow“ begleitet die Erwachsenen von morgen auf ihrem Weg. Die 57 Bündnispartner, darunter ein Netzwerk aus Kitas und Tagespflege, Einzelpersonen, Firmen, Verwaltung und Politik entwickeln Projekte, mit denen sie dem demographischen Wandel entgegenwirken und Kinder aktiv am Gemeinwesen beteiligen. Bei einem jährlich stattfindenden Ideenwettbewerb werden Kinder befragt, was sie an ihrem Wohnort ändern würden. Ihre Ideen dürfen sie umsetzen und bekommen dafür sogar ein kleines Budget, das sie selbst verwalten. So wurde unter anderem ein Spielplatz von den Kindern gestaltet und eine Kräuterschnecke gebaut. Zentrum der Bündnis-Aktivitäten ist die Kommune Torgelow. Sie liegt direkt an der deutsch-polnischen Grenze, mitten in der Ueckermünder Heide. Daher trägt das Bündnis mit seinen Projekten neben Partizipation auch zur Umweltbildung bei und fördert Weltoffenheit und Freundschaften über Landesgrenzen hinweg.
Genau das ist zum Beispiel im generationen- und grenzüberschreitenden Programm „Lurchenland in Zwergenhand“ passiert. Kinder, Eltern, Großeltern und Betreuer von Kitas an der deutschen und polnischen Grenze organisierten gemeinsam einen Umwelttag und errichteten einen Waldspielplatz. Neben der Natur haben sie so ganz nebenbei Alltag, Kultur und Tradition des jeweiligen Nachbarlandes kennen gelernt.
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Das Bündnis hat die Jury ganz besonders beeindruckt, da es unermüdlich, aus zivilgesellschaftlicher Kraft und mit wenig Unterstützung in einem sehr herausfordernden sozialen Raum ein Zeichen setzt für die Gegenwart und Zukunft der Kinder in der Region. Wenn Kinder Respekt, Achtsamkeit und Zusammenhalt statt Ausgrenzung lernen, ist viel gewonnen.
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Das Bündnis ist ein Bollwerk der Demokratie in einer herausfordernden Umgebung. Es macht sich stark für Chancengerechtigkeit, Vielfalt und Demokratie in einem Kontext, der von demografischem Wandel, fehlender Infrastruktur und starkem Zuspruch zu antidemokratischen Parteien geprägt ist. Die Bündnis-Beteiligten engagieren sich aktiv und werteorientiert für die Region und teilen ein zivilgesellschaftliches und demokratisches Selbstverständnis.
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Das Bündnis engagiert sich seit vielen Jahren ausdauernd und langfristig dafür, die Lage von Kindern und Familien zu verbessern. Dabei werden vielfältige Akteure bedarfsorientiert einbezogen. Gemeinsam werden pragmatische, unmittelbare, aktionsbezogene Lösungen entwickelt. Das Bündnis agiert dabei sehr direkt und ist nah dran an den Familien und Kindern vor Ort, schaut aber auch über den Tellerrand und holt sich Impulse, z.B. in Kooperation mit der Universität Greifswald und mit einer polnischen Kita.
Bildungsnetz Heerstraße Nord - AG Frühe Förderung
Berlin-Spandau
Das ist das Bildungsnetz Heerstraße Nord - Ag Frühe Förderung | ©DKJS/ Jakob Erlenmeyer und Nikolaus Götz
Ort: Berlin-Spandau
Bundesland: Berlin
Handlungsfeld: Chancengleichheit, Eltern stärken
Aktiv seit: 2011
Wirkungsradius: Großstadtbezirk
Kontakt: Gemeinwesenverein Heerstraße Nord e.V., Quartiersmanagement Heerstraße, Christian Porst (Leitung Quartiersmanagement Heerstraße/ stv. Bündnissprecher), Blasewitzer Ring 32, 13593 Berlin, E-Mail: porst@heerstrasse.net, Tel.: 030 6174 0077, www.staaken.info/Bildungsnetz
Ganz im Westen, am Stadtrand Berlins, ist die Arbeitsgemeinschaft Frühe Förderung, die Bestandteil des Bildungsnetzes Heerstraße Nord ist, zu Hause. Hier kooperieren verschiedene Akteure wie Kitas, Grundschule, Familienzentren, Kinderärzte, Jugendamt, Kinder- und Familienprojekte miteinander, um die Lebenschancen aller Kinder im Quartier zu verbessern und Eltern aktiv in die Bildungsarbeit einzubeziehen. Vor allem die ganz Kleinen stehen im Mittelpunkt des Geschehens: Seit der Gründung im Jahr 2011 wurden im Bereich der frühen Förderung zwei Projekte entwickelt und an freie Träger vergeben. Die Arbeitsgemeinschaft begleitet auch Projektdurchführung und Evaluation. Die „Kita-Sozialarbeit“ ist bereits eine Erfolgsgeschichte im Kiez und darüber hinaus. Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen unterstützen hier Kitas bei der Elternarbeit, können so frühzeitig präventiv wirken und gleichzeitig auch das pädagogische Personal unterstützen und entlasten.
In einem weiteren, neuen Projekt werden Eltern, insbesondere Alleinerziehende und Familien ohne Kita-Platz mit Kindern unter drei Jahren, vor allem durch aufsuchende Arbeit im Sozialraum, gestärkt. Familien können hier auf das Know-how und das Engagement der einzelnen Akteure bauen und finden in diesem Bündnis nicht nur Beratung, sondern vor allem auch ganz praktische und unbürokratische Unterstützung sowie Begleitung.
- Das Bündnis zeichnet sich durch sein unbeirrbares Engagement aus und beeindruckt die Jury durch die außerordentliche Motivation, allen Kindern in einem besonders belasteten Berliner Stadtteil (über 70% der Kinder leben in Familien, die Empfänger von Sozialleistungen sind) von Anfang an verbesserte Lebens- und Bildungschancen sowie Teilhabe zu ermöglichen. Alle Akteure eint der Geist, nicht aufzugeben. Trotz der fehlenden nachhaltigen Planbarkeit aufgrund der wiederholten Projektförderung ist das Netzwerk durch eine relative Stabilität gekennzeichnet.
- Die Arbeit des Bündnisses setzt sehr früh an, bereits vor der Geburt, sodass den Familien unmittelbar eine Begleitung zum Wohle der Kinder angeboten werden kann und die Kinder über einen langen Zeitraum von der Unterstützung profitieren. Das Bündnis ist sich der besonderen Bedeutung des frühen Kindesalters für die kindliche Entwicklung sehr bewusst und verbessert die Lebenschancen der Kinder im Sozialraum auf diese Weise besonders nachhaltig. Auch stärkt es Eltern in ihrer Erziehungskompetenz, unter anderem durch das innovative und zugehende Beratungskonzept der Kita-Sozialarbeit. Die Niederschwelligkeit der Angebote schätzt die Jury als vorbildlich ein. Der ganzheitliche Ansatz bietet Familien wirkungsvolle Hilfe zur Selbsthilfe.
- Besonders beeindruckend ist auch die Zusammensetzung und Größe des Bündnisses, in dem das zielorientierte Zusammenwirken außergewöhnlich gut gelingt und mit viel Herzblut und persönlichem Einsatz erfolgt. Die Vielfalt der multiprofessionellen Perspektiven, inkl. dem Gesundheitsbereich, führt zu ganzheitlichen, innovativen und effektiven Lösungen. Dabei arbeitet das Bündnis sehr prozessorientiert in einer guten Mischung aus strukturell abgesicherten, regelhaften sowie flexiblen Austausch- und Arbeitsformaten und sowohl mit externer Evaluation als auch regulärer gemeinsamer Reflexion.
Hier finden Sie alle zehn Preisträger aus den beiden Kategorien „Kita des Jahres“ und „Lokales Bündnis für frühe Bildung des Jahres“.