Die 16 Finalist*innen beim Deutschen Kita-Preis 2024 haben gleich mehrere Chancen auf eine Auszeichnung: Wer einen der ersten drei Plätze in den beiden Kategorien „Kita des Jahres“ und „Lokales Bündnis für frühe Bildung des Jahres“ belegt, entscheidet unsere Fachjury. Welche Einrichtung sich über den ELTERN-Sonderpreis freuen darf, hat die Öffentlichkeit aktuell im Online-Voting unter www.eltern.de/kita-voting in der Hand. Außerdem erhalten auf der diesjährigen Preisverleihung am 28. November erstmalig eine Kita und eine Initiative den Zusatzpreis „Attraktivität der Arbeit“ und jeweils 2.000 Euro.
Den Zusatzpreis lobt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) aus. Die Auszeichnung würdigt innovative wie nachhaltige Maßnahmen und Konzepte für gute Arbeitsbedingungen in Kitas und lokalen Bündnissen. Warum die Attraktivität der Arbeit in der frühen Bildung nicht nur für die Beschäftigten wichtig ist, sondern auch Kindern bessere Bildungschancen eröffnet, weiß Elke Hannack. Im Interview berichtet die stellvertretende Vorsitzende des DGB, warum es dringend gute Lösungen braucht, welche Rolle Träger und Kita-Leitungen dabei spielen und wie die Preisträger*innen des Zusatzpreises ausgewählt werden.

Warum ist in Zeiten des Fachkräftemangels die Attraktivität der Arbeit in der frühen Bildung so wichtig?
Die Attraktivität der Arbeit in der frühen Bildung ist entscheidend, um sowohl die Zufriedenheit der Fachkräfte als auch die Qualität der Bildung, Betreuung und Erziehung zu sichern. Gute Arbeitsbedingungen, gute Bezahlung und Entwicklungsperspektiven sind unerlässlich, um Fachkräfte zu gewinnen und Abwanderung zu verhindern.
In Zeiten des akuten Fachkräftemangels ist es besonders wichtig, dass die Träger gute Arbeitsbedingungen in ihren Einrichtungen sicherstellen. Aktuelle Befragungen zeigen, dass immer mehr Beschäftigte in den Kitas psychisch und physisch erschöpft sind. Die Überlastungsanzeigen sind alarmierend. Es geht also nicht mehr nur darum, Fachkräfte zu gewinnen. Es müssen dringend Maßnahmen ergriffen werden, um die Beschäftigten in den Kitas zu entlasten und sie im Beruf zu halten.
Attraktive Arbeitsbedingungen in der frühen Bildung sind mehr als eine Frage des Wohlbefindens, der Gesunderhaltung oder der Motivation der Beschäftigten. Es ist eine Investition in die Bildungschancen der Kinder. Nur wenn Fachkräfte gute Bedingungen haben und sich voll und ganz auf ihre pädagogische Arbeit konzentrieren können, können sie die Kinder auch individuell fördern.
Die Arbeitsbedingungen in Kitas sind nicht ohne Grund oft ungünstig. Das System der frühen Bildung ist durch den Ausbau der Betreuungsplätze in den vergangenen zehn Jahren enorm gewachsen und mittlerweile an seine Kapazitätsgrenzen gestoßen. Den Mehrbedarf an pädagogischen Fachkräften, an unterstützendem Personal und an Ausbildungskapazitäten haben die Länder nicht ernst genommen und nicht rechtzeitig gegengesteuert. Die Folgen sind ungünstige Fachkraft-Kind-Schlüssel bei längeren Betreuungszeiten und bei steigenden Anforderungen an die pädagogische Arbeit. Gleichzeitig nehmen Verwaltungs- und Dokumentationsaufgaben zu. Umso wichtiger ist es, dass die Träger ihre Einrichtungen bestmöglich ausstatten, damit die pädagogischen Fachkräfte gut arbeiten können. Denn langfristig tragen gute Arbeitsbedingungen in der frühen Bildung zur Stabilisierung und Weiterentwicklung des gesamten Systems bei.
Nach welchen Kriterien erfolgt die Auswahl der Preisträger*innen des Zusatzpreises in der Kita- und in der Bündniskategorie?
Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften setzen sich für gute Arbeit und gute Arbeitsbedingungen ein. Die Auswahl der Preisträger*innen des DGB-Zusatzpreises erfolgt danach, wie attraktive Arbeit in den Kitas und Bündnissen gewährleistet wird. Grundvoraussetzungen sind erst einmal eine Tarifbindung und die Einhaltung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes. Dann entscheiden Konzepte, die die Arbeitszufriedenheit nachhaltig fördern, Partizipation und Mitbestimmung ermöglichen, eine wertschätzende Arbeits- und Teamkultur leben und professionelles Handeln stärken.
Die Beteiligung der Fachkräfte an Entwicklungs- und Entscheidungsprozessen in den Kitas und die Zusammenarbeit im Team erfordern verbindliche Strukturen sowie verlässliche Ressourcen und Zeitkontingente. Für die fachliche Weiterentwicklung sind Qualifizierungsangebote notwendig. Darauf schauen wir. Und natürlich achten wir darauf, wie die Träger ihre Einrichtungen bei Veränderungen oder in Notsituationen unterstützen.
In der Bündnis-Kategorie ist es für uns spannend, wie die Partner*innen zusammenarbeiten, welche gemeinsame Vision oder welches Leitbild ihrer Arbeit zugrunde liegt. Gibt es besondere Vereinbarungen oder innovative Konzepte, die sich positiv und nachhaltig auf die Arbeitsbedingungen und die Arbeitszufriedenheit auswirken? Und was funktioniert im Netzwerk besser als allein?
Und ich kann an dieser Stelle schon sagen, dass wir sehr beeindruckt sind, wie viele Kitas und Bündnisse sich dem Thema Arbeitszufriedenheit und Professionalisierung verschrieben haben und dies mit viel Engagement und Motivation leben. Letztlich sind das wertvolle Investitionen, um Fachkräfte zu motivieren und langfristig im Beruf zu halten.
Wie können Kita-Leitungen und Träger zu mehr Arbeitszufriedenheit beitragen?
Träger und Leitungen können nicht nur zu mehr Arbeitszufriedenheit beitragen, sie sind dazu verpflichtet. Die Träger tragen Verantwortung für den Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie für das Wohlbefinden ihrer Beschäftigten. Dazu gehört selbstverständlich auch, gute Arbeitsbedingungen zu schaffen, Notfallpläne für Personalengpässe bereitzuhalten und die pädagogische Qualifizierung der Fachkräfte sicherzustellen.
Auch die Leitungen tragen Personalverantwortung. Wer direkt an der Basis arbeitet, kennt die Herausforderungen des Alltags am besten und weiß, was die Beschäftigten brauchen. Kitas werden immer größer, die Betreuungszeiten immer länger, die Aufgaben der Leitungen wachsen stetig. Wir brauchen gut qualifizierte, motivierte und kreative Leitungskräfte, die die Arbeitszufriedenheit ihrer Beschäftigten dauerhaft im Blick haben, auf ihre Bedürfnisse eingehen und ihre Stärken fördern. Dafür benötigen Leitungen aber auch eine Freistellung, das geht nicht nebenbei. Und dass eine enge Zusammenarbeit zwischen Träger und Leitung unabdingbar ist, um Herausforderungen und Veränderungen meistern zu können, zeigen uns die nominierten Kitas ebenfalls sehr deutlich.
Was macht für Sie persönlich einen attraktiven Arbeitsort aus?
Für mich persönlich ist ein attraktiver Arbeitsort einer, der auf mehreren Ebenen passt. Erst einmal braucht es gute und sichere Arbeitsbedingungen, eine gute Bezahlung und Tarifbindung. Wenn die Bezahlung nicht stimmt, fühlt man sich nicht wertgeschätzt. Wer von seinem Einkommen nicht leben kann, kann auf Dauer auch keine gute Arbeit leisten und ist schnell am Ende seiner Kräfte.
Auch Mitbestimmung ist mir sehr wichtig. Ich möchte mitentscheiden können, was meine Arbeit und meinen Arbeitsplatz betrifft. Das schafft Transparenz und das Gefühl, Teil des Ganzen zu sein und aktiv mitgestalten zu können.
Für einen attraktiven Arbeitsort ist Chancengleichheit ein Muss. Unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder anderen persönlichen Merkmalen sollen alle Beschäftigten die gleichen Entwicklungsmöglichkeiten haben. Nur dann kann sich jede und jeder als Teil einer fairen und gleichberechtigten Gemeinschaft fühlen.
Wichtig sind mir auch eine offene und respektvolle Kommunikationskultur und gute Teamarbeit. Das schafft Vertrauen und ein positives Miteinander. Und nicht zu vergessen: Wertschätzung und Anerkennung. Wenn gute Arbeit durch positives Feedback gewürdigt wird, steigert das die Motivation enorm.
Und schließlich dürfen Weiterbildungsmöglichkeiten nicht fehlen. Ein attraktiver Arbeitgeber investiert in die Weiterbildung seiner Beschäftigten – auch durch Bildungsurlaub. Das zeigt, dass der Arbeitgeber langfristig plant und in die Zukunft seiner Beschäftigten investiert – und das gibt Sicherheit und ermöglicht Karriereperspektiven.
Vielen Dank für das Interview!